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«Ich sehe mich als Begleiterin und Beraterin meiner Patienten und möchte ihnen partnerschaftlich begegnen»

Interview DEFACTO 04/2016, Bernhard Stricker, Argomed Ärzte AG

Wie beurteilen Sie die heutige Situation der jungen Hausärzte in der Schweiz?
Von einem betriebswirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet haben wir eine günstige Ausgangslage. Die Konkurrenz durch andere Ärzte ist klein geworden, wir müssen keine Angst haben, dass uns die Arbeit ausgeht. Auch haben wir durch die Schwemme im Praxismarkt immer bessere Bedingungen bei einer Praxisübernahme. Ich muss mich heute nicht mehr hoch verschulden, um selbstständig in einer Praxis arbeiten zu können. Auf persönlicher Ebene erzeugt der immer stärker werdende Ärztemangel aber auch Ängste. Werde ich, gerade auf dem Land, allein auf weiter Flur von Patienten überrannt werden? Lassen sich da familienfreundliche Arbeitszeiten für Mütter und Väter wirklich umsetzen? Wie sollen wir mit so wenigen Ärzten die Grundversorgung der Bevölkerung sichern? Das ist eine enorme Aufgabe. 

Wie hat sich die Situation der jungen Hausärzte seit der Gründung der JHaS 2009 verändert? 
Die Wahrnehmung unseres Berufsstandes durch Politik und Öffentlichkeit empfinde ich heute positiver, als dies 2009 der Fall war. Das stetige Engagement von mfe und die Initiative «Ja zur Hausarztmedizin» haben dazu geführt, dass im Rahmen des Masterplans einige wichtige Massnahmen zur Förderung der Hausarztmedizin eingeleitet wurden. An den Universitäten haben die Studierenden heute früher und intensiver Kontakt mit der Hausarztmedizin. Das ist spürbar. Die ganz jungen Assistenzärzte haben wieder mehr Interesse an und ein positiveres Bild von der Hausarztmedizin als dies in meinem Staatsjahr noch der Fall war. Aber es wäre falsch, wenn wir uns auf diesen Erfolgen ausruhen würden. Aus diesem Grund werden wir auch weiterhin mit grosser Überzeugung für die Anliegen unseres Berufsstandes einstehen. 

Wo besteht denn noch Nachholbedarf?
Die Hausarztinstitute müssen weiter gestärkt werden. Die Finanzierung der Hausarztpraktika muss auch künftig gesichert werden und auch im Bereich der Forschung gibt es noch einiges zu tun. Und dann müssen wir ja auch noch dafür sorgen, dass die motivierten Staatsabgänger während ihrer Weiterbildung nicht irgendwo in den Subdisziplinen verschwinden. Oder ganz aus dem Beruf aussteigen. Hier spielt die nach wie vor schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Familie, gerade während der Weiterbildungszeit, eine grosse Rolle. Vom Nachholbedarf im Bereich Tarifrevision möchte ich jetzt gar nicht erst anfangen. 

Welches sind die derzeitigen inhaltlichen Schwerpunkte der JHaS?
Wir vernetzen Studierende und junge Ärzte mit Interesse an der Hausarztmedizin und fördern das Image der Hausarztmedizin. Dazu organisieren wir in verschiedenen Regionen regelmässig Stammtische, an welchen man sich austauschen kann. Unser Jungärztekongress (Yes we care am 29.4.2017 in Thun) ist für viele zu einem fixen Punkt und einem Highlight in der Jahresagenda geworden. Wir engagieren uns aber auch für den internationalen Austausch junger Hausärzte und bringen uns in die Gestaltung der Gesundheitslandschaft Schweiz mit ein.

Welche Bilanz ziehen Sie bezüglich der diversen kantonalen Praxisassistenz-Programme?
Es ist dringend notwendig, dass es diese Programme gibt. Praxisassistenzen sind absolut nötig, um die Leute in die Hausarztmedizin zu bringen und sie auch gut auf eine spätere selbstständige Tätigkeit vorzubereiten. Abgesehen davon, auch jeder zukünftige Spitalinternist sollte meiner Meinung nach einmal Praxisluft geschnuppert haben. Das würde einige Probleme an der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Medizin deutlich entschärfen. Die Qualität der Weiterbildung in den Praxen ist in der Regel sehr gut. Auch für mich war es die lehrreichste Zeit meiner Weiterbildung. 

Gibt es Ihrer Meinung nach genügend und genügend gute Förderprogramme für Hausarztmedizin? Die vorhandenen Programme sind gut. Über die ganze Schweiz betrachtet sind Angebot und Nachfrage bei Praxisassistenzen und Curriculumsstellen im Moment einigermassen ausgeglichen. Allerdings rechne ich damit, dass die Nachfrage in den nächsten Jahren steigen wird. Aktuell sind diese Möglichkeiten unter den Assistenzärzten noch immer zu wenig bekannt. Das wird sich hoffentlich in den nächsten Jahren ändern. Weiter gibt es grosse regionale Unterschiede. Während einige Kantone nicht alle Praxisassistenzstellen besetzen können, gibt es an anderen Orten Warteschlangen. Der interregionale Austausch scheint noch nicht überall gut zu funktionieren. Da sind dann natürlich an das Weiterbildungsprogramm geknüpfte Niederlassungszwänge im Kanton nicht gerade hilfreich. 

Wie sehen Sie die Zukunft der Hausarztmedizin in der Schweiz? 
Irgendwo zwischen rosig und leicht verhangen. Hausarzt soll und kann auch in Zukunft ein Traumberuf bleiben. Dafür müssen wir uns aber hier und jetzt aktiv einsetzen. 

Wie unterscheidet sich Ihrer Meinung nach die Berufsauffassung der heutigen jungen Hausärztin (des jungen Hausarztes) von der jungen Hausärztin (des jungen Hausarztes) vor 50 Jahren? 
Vor 50 Jahren war ich definitiv noch nicht mit dabei. Ich stelle mir aber vor, dass die Medizin damals sehr patriarchalisch war. Doktor, Lehrer und Pfarrer, das waren noch Autoritäten im Dorf. Sie wussten, was gut und recht ist für die gemeinen Bürger. Heute ist der Arztberuf in den Mittelstand gerückt. Ich sehe mich als Begleiterin und Beraterin meiner Patienten und möchte ihnen partnerschaftlich auf gleicher Augenhöhe begegnen.

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